Führungskräfte verlieren auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn oft die Lust. Die Lebensfreude nimmt ab, gleichzeitig wird der Sinn für Leben außerhalb der Berufsmatrix wach gerufen. Die Suche nach Erfüllung abseits der beruflichen Karriereleiter setzt intensiv ein.
Den Benediktinermönch Anselm Grün zitierend beschreibt das Managermagazin (Heft 3/2011) den natürlichen Wendepunkt der Lebensmitte als „Lebenskurve“, dessen Enden nicht unbegrenzt nach oben zeigen. Gerade dieser „natürliche Wendepunkt“ könnte ein guter Zeitpunkt sein, „Ehrgeiz und Antriebe“ zu überdenken.
Wo bleibt die Happiness-Energie?
„Den modernen Hochleister macht reines Auspowern auf der Marathonstrecke schon lange nicht mehr froh.“ Das sagt Andreas Wieser, der seit 26 Jahren den „Lanserhof“ bei Innsbruck führt. Er bietet seinen Gästen – darunter auch Jogi Löw oder der russische Milliardär Roman Abramowitsch – einen siebentägigen Aufbauaufenthalt für Körper, Geist und Seele. Wieser spricht von der „Happiness-Energie“, die geistig wache Topleute bei ihm pflegen wollen. Damit blieben sie „in der eigenen Mitte“, die „im hektischen, entfremdeten Business-Alltag so leicht verloren geht“.
Aber ist es das? Ist das das wahre Optimum? Der erfolgreiche Mensch als Maschine, die man ab und zu in die Wartung schickt, kundendienstlich checkt und dann wieder in die Bahn zurückschickt?
Die Erschöpfungsdepression bleibt. Wenn der Antrieb verloren gehe, beginne die Suche nach dem „Notausgang“. Karrierefrauen würden später Mütter. Männer probierten es mit Nervenkitzel und der Erfüllung alter Träume. Doch eines Tages stelle auch der Karrieremann fest, dass Geld und Erfolg alle nicht mehr zufrieden stellen. Auf die „Happiness-Energie“ komme es an.
Psychosomatische Erkrankungen
Neue, spanndende Aufgaben sind für jeden – ob für Manager oder auch nur für den klassisch-erfolgs-orientierten Menschen – hochgradig attraktiv. Dabei spielen, so das Managermagazin, Entdeckerfreude und Gestaltungslust eine besonders große Rolle. Sie seien „wichtige menschliche Antriebe“. Erobern, gestalten, gewinnen. Ziele dieser Art versetzen den Menschen in einen ganz besonderen Zustand: „Als hätte man gleichzeitig eine kleine Dosis Heroin und Kokain eingenommen“, sagt der Neurobiologe Gerald Hüther. Irgendwann jedoch komme der Moment, in dem man aus der schwindelnden Höhe abstürze. Dann, wenn sich die immensen Erwartungen an die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten nicht mehr erfüllen.
Joachim Galuska kennt dieses Phänomen wohl nur zu gut. Im Interview mit dem Managermagazin spricht er von psychosomatischen Erkrankungen, die erst in jüngster Zeit auf ein bedrohliches Maß angestiegen seien. „Ein hohes Arbeitsaufkommen an sich macht nicht krank“, bedeutet er.
Jedoch würden die Arbeitsprozesse immer komplexer und anstrengender. „Gleichzeitig sinken die privaten Erholungsmöglichkeiten.“ Familien zerbrächen an „permanenter beruflich geforderter Mobilität und an Vereinzelungstendenzen.“
Status, Macht und Geld seien längst nicht so mächtige Sinnstifter, wie es der Zeitgeist annimmt. Galuska empfiehlt, das Leben nach Möglichkeit so einzurichten, dass es zu den inneren Bedürfnissen passt. „Da kann der Verzicht auf einen weiteren Karriereschritt helfen oder der Wechsel in einen anderen Bereich.“
Zusätzlich tue eine Beschäftigung gut, die wieder mit Leidenschaft erfülle: Ein Hobby, ein soziales Engagement, glückliche Beziehungen. Galuska: „Umso mehr kommt es an, und zwar umso deutlicher, je älter wir werden.“
Wie wäre es also mit dem Ankurbeln der Happiness-Energie?