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Übergewicht aus der vermeintlich erfrischenden Flasche. Foto: (c) Uwe Grötzner - fotolia.com
Übergewicht aus der vermeintlich erfrischenden Flasche. Foto: (c) Uwe Grötzner - fotolia.com

Softdrinks wiegen schwer auf Hüften

Sie sind klein und handlich, erfrischend und durststillend, den­noch Hauptursache für Übergewicht. Wir spre­chen von Softdrinks, den gezuckerten Getränken aus der eisgekühlten Flasche oder dem Frisch-Getränke-Spender.

Italien hat wohl als erster eu­ro­pä­ischer Staat die Initiative ergriffen und möchte gezuckerte, kohlen­säu­re­haltige Getränke besteuern. Zum einen aus gesundheitlichen Gründen, zum anderen aus rein einnahmetech­ni­schen Gesichtspunkten. Wie die Sache ausgeht wird sich zeigen. Fakt ist: Die Harvard School of Public Health in Boston hat mehr als 30 000 Erwachsene beob­ach­tet. Ergebnis der Untersuchung: Men­schen, die regelmäßig Softdrinks zu sich neh­men fördern damit die genetische Ver­anlagung für Übergewicht.

Warum ist das so? Erklärungsansätze gibt es einige, der einleuchtendste ist wohl der, dass “Zucker in der Flüssigkeit nicht so satt macht”, wie Gerhard Rechkemmer, Prä­sident des Max-Rubner-Instititus (Bun­desforschungsinstitut für Ernäh­rung und Lebensmittel) gegenüber der Süd­deutschen Zeitung ausführt.

Die Energie werde zusätzlich zum normalen Bedarf konsumiert. Die Kalorien, die der Körper aktuell nicht braucht, speichert er als Fett im Körper. In Fachkreisen spricht man bereits von einer Epidemie. In Deutschland gelten bereits 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen als “zu dick”.

Die Süßungsstoffe in Soft­drinks bestehen für gewöhnlich zu einer Hälfte aus Frucht­zucker (Fruk­tose), zur an­deren Hälfte aus Traubenzucker (Glu­kose). Fruktose ist dabei die ge­fähr­lichere Variante. Der Kör­per kann Fruktose viel schneller in Fett umwan­deln. Und das am Hormon In­sulin pfeil­grad vorbei. Da­mit wird dem Gehirn auch kein Sattheitsbewusstsein ver­mit­telt. Nein, der Zucker umgeht die Signalwege. Somit wer­den sorgenfrei fruktose­hal­tige Lebens­mittel zu sich ge­nommen, oh­ne dass der Kör­per schluss­­endlich positiven Nut­zen daraus ziehen könnte. Auf Dau­er ist das gar nicht gut.

“Zucker ist reichlich sinnlos”, betont Gerhard Rechkemmer. Ausser dass es er eine “Gaumen­freu­de” sei, sei er zu nichts Weiterem sinnvoll. Freilich benötige das Gehirn den Zucker Glucose, der Teil des ge­wöhnlichen Haushaltszuckers ist. Glu­cose lasse sich jedoch auch ebenso gut aus nährstoffreichen Lebens­mit­teln wie Nudeln, Reis und Kar­toffeln gewinnen.

Ist Zucker nun schädlich oder nicht? Grund­sätzlich nicht, “nur für die Zäh­ne”, so Rech­kem­­mer. Mathilde Kers­ting vom For­schungsinstitut für Kin­der­nährung in Dort­mund plädiert ge­gen­über der Süd­deutschen Zeitung für eine “op­ti­mierte Mischkost” und sagt, dass zehn Prozent der darin ent­hal­tenen Ka­lorien durchaus durch Süßig­keiten ge­deckt werden dürfen.

Unbedenklich sei mittlerweile Süß­stoff. So die Aussage von Andreas Pfeif­fer vom Deutschen Institut für Er­nährungs­for­schung gegenüber der Süd­deut­schen Zeitung. “Die früher kur­sie­ren­den Vorwürfe”, synthe­tische Süßstoffe wie Saccharin und Aspartam seien krebserregend , sind vom Tisch.”

Das süße Verlangen: Softdrinks und Co

Das Verlangen nach Süßem wurde dem Menschen, ja man könnte sagen aner­zo­gen. Die Basis allen Übels sollte die Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten Anfang der 1970er Jahre ge­we­sen sein. Hohe Lebensmittelpreise zwangen den damaligen Präsidenten Richard Nixon dazu, durch Über­pro­duktion den Markt stabil zu halten. Un­ter anderem durch den überdi­men­sio­nier­ten Anbau von Mais. Die Lebens­mit­telindustrie reagierte auf den Über­schuss und erfand neue Möglich­kei­ten, Maisstärke zu verarbeiten. Es ent­stand HFCS (Glucose-Fructose-Sirup – ein Zuckerkonzentrat, das enzymatisch aus Stärke von Mais hergestellt wird).

Die Produkte waren erfunden (selbst Coca Cola stieg Anfang der 1980er Jah­re in den USA auf HFCS um), nun tat auch die Werbeindustrie das Not­wen­dige dafür, dass die Menge an neuen Süß-Produkten verkauft und kon­su­miert wurden. “Die Menschen muss­ten dazu gebracht werden, mehr zu essen”, schreibt “Der Spiegel” in sei­ner Ausgabe 46/2012. Die Portionen sei­en größer geworden und die Wer­bung ermuntere, “andauernd zu essen und zu naschen.”

Das Problem für den Menschen aller­dings: Die Evolution hat unserem Kör­per nicht gesagt, wie er sich vor über­mäßigem Zucker schützen kann. Frei­lich: Es gibt Insulin, das den Zucker­haus­halt im Körper regelt. Doch wird der Bogen auf Dauer überspannt, kann selbst diese Regulation nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren.

Was der Mensch allerdings genetisch über Generationen hinweg vererbt bekommen hat: “Vor 10 000 Jahren war süße, kalorienreiche Kost ein sel­te­nes Geschenk, das ausgekostet wer­den musste”, sagt Anthony Sclafani vom Brooklyn College in New York ge­gen­über dem Spiegel. Da man früher nicht wusste, wann man wieder einmal in den Genuss kommen würde, sei der Mensch darauf programmiert, sich mit Süßem den Bauch vollzu­schla­gen.

Für die Werbung ist die süße Gefahr auch heute noch ein Milliarden-Geschäft. So stellt sie nicht ungern süße Produkte vor Sportkulissen dar. Sie tut damit zwei Dinge. Die richtige: Sie verkauft das Produkt zielgrup­pen­orientiert und absolut perfekt. Die Fal­sche: Sie suggeriert im Grunde ge­nom­men Dinge, die nicht sein sollten. “Ein Kind, das geschwitzt hat, weil es gelaufen ist, braucht Wasser, keinen Zucker”, sagt Wolfgang Siegfried, Leiter des Adipositas-Rehazentrums In­sula gegenüber dem Spiegel. Frucht­säfte – auch wenn sie noch so gesund sein sollten – hält er auch für be­denk­lich. Der Körper ist nach dem Sport noch lange nicht wieder auf seinem Ru­he­kurs angekommen und immer noch mit sich selbst beschäftigt. Trinkt man nun in dieser Phase Orangensaft oder all­gemein Fruchtzucker, kann die Leber die­sen nicht schnell genug abbauen und macht Fett daraus. Wer so etwas dau­ernd macht, riskiert eine Fettleber.

Es gilt aber bei alle dem wie immer: Gegen Schokoriegel oder ein kaltes Er­frischungsgetränk ist nichts ein­zu­wenden, sofern man seinen Körper mit zu viel des Guten nicht auf Dauer über­fordert.

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