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Glücklichsein ist kein Allheilmittel. Foto: (c) olly18, depositphotos.com

Glücklichsein ist kein Allheilmittel

Dass Menschen, die mit dem bis zum Anschlag durchgedrückten Glücksgefühl-Gaspedal durchs Leben rasen, einen Dämpfer brauchen, um wieder in die Realität zurück zu finden, zeigt uns ein aktueller, viel diskutierter, viraler *) Werbespot. Kurzfassung: Alter Mann, seit Jahren an Weihnachten einsam allein zu Hause, täuscht seinen Kindern, die keine Zeit für ihn haben, sein Ableben vor, damit sie an Weihnachten zu seiner Beerdigung kommen müssen. Anstelle eines Leichenschmauses erwartet sie eine festlich geschmückte Tafel und ein lebendiger, glücklich strahlender Vater.

Der Effekt: Deutschland weint. Ob deshalb jeder bei dem das Video lancierenden Supermarkt-Riesen einkaufen wird ist fraglich. Dennoch beweist dieser etwa anderthalbminütige Clip das, was viele Glücksforscher behaupten. **) Ständig gut gelaunte Menschen beschäftigen sich viel zu selten mit den eigentlich wichtigen Details des Lebens. Gefühle wie Angst und Unsicherheit hingegen, die aus extremen Situationen erwachsen, erhöhen nicht nur die Aufmerksamkeit sondern bringen den Menschen wieder auf ein Normalmaß seines Handelns zurück.

Über 30 Millionen Mal innerhalb einer Woche wurde der Clip geklickt. „Die Welt“ titelte zu dem Video: „Deutsche brauchen für Gefühle den Vorschlaghammer.“

Glückliche Menschen haben
Erfolg nicht unbedingt gebucht

Foto: (c) feelphotoartz - depositphotos.com
Foto: (c) feelphotoartz – depositphotos.com

Jeffrey Wijnberg hat ein Buch geschrieben. „Diktatur des Glücks“ nennt es der niederländische Psychologe und behauptet laut Wirtschaftswoche (WiWo) vom 27. November 2015, dass sich die Suche nach Glück in den vergangenen Jahren immer weiter verstärkt hätte. Laut Wijnberg leite uns die „psychologische Korrektheit“, die besage, dass positive Emotionen immer besser seien als negative. „Über Zufriedenheit und Glück sprechen viele lieber als über Wut, Aggression, Missgunst und Trauer.“ Nicht gut, meint der Psychologe, denn damit würde man einen großen Teil des Lebens ausblenden. „Negative Gefühle sind wichtig. Sie „erzeugen Antrieb und Motivation.“

Die Theorie dahinter vermittelt die taoistische Philosophie seit fast über 2500 Jahren. Yin und Yang stehen in gegenseitiger Wechselbeziehung und gehen fließend ineinander über. Nach dem Entsprechungssystem ist Glück Yang und hell, Unglück Yin und dunkel. Überwiegt einer der beiden Pole zu sehr, sind die Folgen auf Dauer nicht kalkulierbar.

Dass Glück kein Allheilmittel sein kann, weiß auch der amerikanische Psychologe Todd Kashdan. In seinem Buch „The upside of the dark side“ (zu Deutsch in etwa: Der Vorteil der dunklen Seite) fordert er gerade dazu auf, die Heile-Welt-Einstellung regelmäßig gegen ein Quäntchen Wut zu tauschen. Wer nicht nur alles als Strahlemann hinnimmt sondern wütend argumentiert, erhöhe laut Kashdan Optimismus, Kreativität und effektive Leistung. Und wer nicht nur alles mit der rosa Glücksbrille sieht sondern in Verhandlungen und im Berufsleben auch mal Wut zum Ausdruck bringt, hätte mehr Erfolg Jedoch: Alles in kontrolliertem Maße in einer gesunden Ausgewogenheit.

„Manchmal wirkt jemand, der wütend wird, dadurch besonders engagiert und motiviert“, sagte Ursula Hesse, Professorin für Sozial- und Organisationspsychologie an der Humboldt-Universität in Berlin gegenüber der WiWo. Im Gegensatz zu glücklicher Ausstrahlung signalisiere Wut „Stärke und Gerechtigkeitssinn“. Jedoch schränkt sie ein: „Wenn aus Ärger Feindseligkeit und Aggression wird, ist das gefährlich.“

Im Grunde hat jedes Gefühl seine Berechtigung. Wird etwas diskutiert, braucht man immer jemanden, der die Sache befürwortet und einen anderen, der dem Ganzen kritisch gegenüber steht. Genauso ist es mit dem Glücklichsein. Wer meint, Glück dauerhaft gepachtet zu haben, vergisst es, irgendwann einmal zu schätzen, entwickelt Neid und Missgunst gegenüber anderen, die vermeintlich glücklicher scheinen. Also sind wir doch damit zufrieden wie es ist.

Text: Rainer Wittmann 

*) Virales Marketing nutzt soziale Netzwerke und Medien nutzt, um mit einer meist ungewöhnlichen oder hintergründigen Nachricht auf eine Marke, ein Produkt oder eine Kampagne aufmerksam zu machen.
**) Quelle: Wirtschaftswoche vom 21. November 2015 „Glücklichsein wird überschätzt“
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