Jammern und wehklagen: die einen tun es zu Zwecken des Selbstschutzes, die anderen, weil sie glauben, es sei ein wichtiger Teil der Sozialisierung mit dem Ziel, in das gesellschaftliche Gefüge (zurück) zu finden. „Das Problem wird nicht gelöst, der Jammerer zieht sich selbst immer weiter nach unten. Und wer ständig nur jammert, aber nichts ändert, bekommt irgendwann auch keine Zusatzportion Zuwendung mehr“, sagte der Hamburger Psychologe Michael Schellberg gegenüber „Welt online“.
Sicher muss man sich Dinge von der Seele reden, mit Familie und Freunden darüber sprechen. Manche reden auch wildfremde Menschen auf der Straße an und erzählen ihre Geschichte ohne Unterlass. Die Themen sind letztlich alle bekannt. Es geht um Stress mit Freunden, es geht um zu wenig Geld, Probleme in der Arbeit, es geht um Beziehungen, verschmähte Gefühle und eigentlich geht es immer darum, dass es andere viel besser hätten als der Jammerer selbst.
„Wer jammert, signalisiert letztlich, dass alles so bleiben soll, wie es ist“, konstatiert Andreas Bernard im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ kurz und knapp. Jeder jammert immer und gerne. War‘s das dann mit dem erfüllten Leben?
„Kränkungen überwinden
und einander vergeben“
Seit Jahren ist die mittlerweile 52-jährige Schwester Teresa Zukic in ganz Europa unterwegs, um Menschen Mut zu machen, nachzudenken, umzudenken. Den religiösen Aspekt lassen wir hier außen vor, denn ihre Aussagen sind in vielerlei Hinsicht äußerst weltlicher Natur und daher auch so für jedermann anwendbar.
Jammern, nörgeln, quengeln, maunzen; es gibt viele Wörter, die diese Art temporärer Stimmungslage beschreiben. Gewiss war jeder von uns schon einmal in dieser „seelischen Notlage“. Und wenn, dann war oder ist es doch meistens so, dass alle anderen komisch sind nur man selbst nicht. Denkt man.
Zur Kränkung gehören laut Schwester Teresa immer zwei Menschen. Einer, der den anderen verletzt und eben der andere, der die Verletzung zulässt. Dass es „böse Menschen“ gibt, sei normal, sagt sie. Das sei nun mal nicht zu ändern. Aber der Verletzte sei es schließlich, der über die „Qualität des Verletztwerdens“ entscheide. Deshalb ihr primärer Appell: „Wer sich nicht selbst mag, kann auch seine Mitmenschen nicht lieben.“ Deshalb sei der erste Schritt zu einem erfüllten Dasein, „in Freundschaft mit sich selbst zu leben.“
Jeder, der in irgendeiner Weise verletzt wird, denkt intensiv über die Umstände nach. Dem Ganzen eher einen negativen Beigeschmack zu geben liegt in der Natur des Menschen, näher, als positiv zu denken. „Doch eben positive Gedanken sind es, die wiederum positive Gefühle erzeugen“, weiß Schwester Teresa. Nachtragend sein koste viel zu viel Kraft. Über ungute Gefühle provozierende Momente zu lachen sei wohl der bessere Weg, denn wer lacht könne ihrer Meinung nach nicht aggressiv sein.
Die 52-jährige kennt viele soziale Schichten, war vor Jahren unter anderem als skateboardfahrende Nonne in den Medien. Ziemlich ungewöhnlich, oder? Aber: „Ungewöhnliches gegen die Gewohnheit“ zu tun empfiehlt sie jedem, der es nicht schafft, aus seiner Opferrolle zu schlüpfen. Im Grunde sei das ganz einfach: „Drücken Sie Ihre Freunde oder ihren Partner einfach mal unvermutet ganz fest!“ oder „Lächeln Sie wildfremde Menschen ganz freundlich an.“ Die Ratschläge klingen simpel und fallen uns doch nicht immer leicht, weil wir dafür ja ein Stückchen von uns selbst hergeben müssten. Auch ein wenig von unserem Jammern. „Der Tag ist zu kostbar“, als dass man sich stundenlang über Kränkungen Gedanken machen sollte, betont Schwester Teresa. Deshalb sei das Wichtigste, was den Menschen aus dem Jammertal herausführt, dass man Kränkungen zu überwinden und zu vergeben lernt.
Diese Ansicht vertritt übrigens auch die Hochschulseelsorgerin Melanie Wolfers. In ihrem Buch „Die Kraft des Vergebens“ schreibt sie: Zentrales Element unseres Lebens seien Beziehungen. Es lasse sich nicht vermeiden, dass wir andere kränken und von anderen gekränkt werden.
Doch wie damit umgehen? „Sich mit erlittenen Kränkungen auszusöhnen ist ein Weg in die Freiheit“, sagt Melanie Wolfers. Vergeben bedeute, nicht länger auf eine bessere Vergangenheit zu hoffen, sondern in der Gegenwart zu leben. “Vergebung ist der Ausstieg aus der Opferrolle.“