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Experten: Übergewicht ist ein Überlebensvorteil. Foto: (c) Luis Louro - fotolia.com
Experten: Übergewicht ist ein Überlebensvorteil. Foto: (c) Luis Louro - fotolia.com

Experten: Übergewicht ist ein Überlebensvorteil

Bislang galt Dick­sein als Zei­chen man­geln­der Selbstbeherr­schung und zügelloser Un­kon­trol­liertheit. “Über­gewicht ist aber nicht gleich Krank­heit. Es ist sogar etwas Gu­tes”, meint Prof. Dr. Achim Pe­ters von der Universität Lübeck.

Der Gehirnforscher kämpft laut Süddeutscher Zeitung seit Jahren ge­gen die stigmatisierte Sicht auf zu viel Kör­perfett. Sicherlich: Eine diag­nos­tizierte Adipositas weit über der 30-Marke des als Standard für solche Fra­gen geltenden Body-Mass-Index (BMI) ist gewiss nicht unbedenklich. Wer sich aller­dings wohlfühlt, keine selbst oder ärztlich festgestellten Beschwer­den hat, lebt mit dem Vorteil, dass sein Dicksein “eine gesunde Art der Stressbewältigung” ist. (Achim Peters)

Stressresis­tenz

Wie funktioniert das mit der Stressresis­tenz? Im Grunde muss man das so sehen: Es gibt unterschiedliche Typen von Nah­rungs­verwertern. Diejenigen, die essen kön­nen, was sie möchten und nie dick wer­den und die anderen die gerne nicht so viel auf den Rippen hätten, denen je­doch schon der Anblick eines wun­der­­vollen Bratens 100 Gramm mehr auf die Rippen presst. Das Gehirn bei­der Typen von Nahrungsverwertern jedoch es funk­­­tioniert nach dem selben Prinzip – es be­nö­­­tigt Glucose um zu funktionie­ren. Und da es den Körper steu­ert, kann es sich so viel Energie holen, wie es ger­ne ha­ben möchte. Wissen­schaftler sprechen vom “Selfish-Brain” (egoistisches Ge­hirn). Dieser Egoismus zeigt sich auch in der Hinsicht, dass das Ge­hirn den Körper in einen Art Stress­­zu­stand ver­setzt, um an seine benötigte Dosis Energie zu ge­langen. Mit Hilfe von Hor­­mo­nen, darunter Cor­ti­sol, versucht das Gehirn, Brenn­stoff aus den Ener­gie­spei­chern im Körper für sich frei­zusetzen. Selbst wenn sich der Körper im Ruhe-Mo­dus befindet saugt sich das Gehirn rund die Hälfte der zu Verfügung ste­hen­den Glucose ab. Bis zu 90 Prozent werden in Stress-Situationen verbraucht.

Bei dicken, sagen wir kräf­ti­­gen Menschen, funk­tio­niert dieser Mechanismus der Energiegewinnung zwar auch, je­doch kann aus Fett­de­pots keine Glucose gewonnen werden. Es befiehlt daher, neue Nahrung aufzunehmen. Also greift man zu Messer und Gabel oder zu einem Snack, damit das Gehirn wieder beruhigt ist und ordentlich weiterarbeiten kann. Der Rest der Energie aus der Nahrung wird wiederum in den Depots abgelagert. Wer von Natur aus kräftig ist, kann sich demnach auch schlecht dagegen wehren, so zu sein.

Umlenkung von Stoffwechselströmen

Ungeklärt ist laut Prof. Dr. Achim Peters weiterhin, wie die Umlenkung von Stoffwechselströmen gelernt und an­trainiert werden kann. Ebenso wie “tröstendes Futter” (engl. “comfort food”) sich auf Stressreaktionen aus­wirkt und wie der Gehirnbedarf an Zucker in Stresssituationen gesteigert ist. Als Leiter der seit 2004 be­ste­henden und von der Deutschen For­schungs­gemeinschaft (DFG) ge­för­der­ten kli­ni­schen Forschergruppe “Sel­fish Brain: Ge­hirnglukose und metabolisches Syndrom” untersucht er zusammen mit Expertenkollegen ausserdem, wie Gehirnzellen bei Be­darf (“just-in-time”) Zucker an­for­dern.

Überlebenskraft von kräftigen Menschen
Dass man Nahrung zu sich führt, wenn das Gehirn es empfiehlt und sich damit zum einen spontan Energie holt aber auch Depots anlegt, werten Forscher und Ärzte als natürliche Überlebenskraft. Nierenfachärzte der University of California etwa entdeck­ten, dass schlanke Dialyse-Patienten schneller starben als übergewichtige. Es zeigte sich zudem, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, dass “auch Dicke mit Herzinfarkt länger leben, eben­so wie nach schweren Opera­tio­nen, nach Sepsis, Schlaganfall oder Hirn­blutung und Dicke mit Rheuma oder Krebs.”

Aber halt! Voraussetzung war, dass die Übergewichtigen nicht dazu neigten, “all ihr Körperfett rund um die Taille” anzusammeln. Die so­ge­nann­te Apfelfigur ist tatsächlich lebensbedrohlich. Landläufig ist diese figürliche Ausprägung des Bauches auch als “Apfelbauch”, “bayerische Bier­wampe” oder gar als “Brauerei­ge­schwür” bekannt. Den kritischen Punkt erreicht der Organismus, so­bald der Taillenumfang über ein ge­wis­ses Maß hinaus schießt. Bei Män­nern sind das 102 Zentimeter und bei Frauen 88. Ziemlich ungesund auf Dauer ist ein Bodymass-Index von mehr als 35. Mit einem BMI von 27 lebt man statis­tisch gesehen am längs­ten. Übrigens: Der Body Mass Index berechnet sich nach folgender Formel

BMI = x KG / (y M * y M)
In Worten: Körpergewicht in Kilo­gramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat.

Übergewicht? Sinn und Unsinn von Diäten

Stellen wir fest: Das Gehirn benötigt Glucose um zu funktionieren. Aus den Fettdepots kann es keine Energie für sich generieren, verlangt nach mehr. Damit wird auch jede Art extremer Diät ad absurdum geführt. Denn wer hungert verstärkt den innerlichen Stressfaktor nur und wird sich – so wie es oft ist – vom Gehirn davon überzeugen lassen, die Diät ab­zu­brechen, damit die Schalt­zentrale wieder genügend Energie zugeführt bekommt.

Übergewicht? Wie wärs mit Sport?

Wer häufigem Stress ausgesetzt ist, für den empfiehlt sich Ausdauersport. Nach zehn Minuten etwa stellt der Körper automatisch von Zuckerabbau auf Fettabbau um und zehrt damit die überschüssig angelegte Energie auf. Regelmäßig Laufen, Schwimmen oder Radfahren ist und hält auf Dauer gesund. Aber nicht gleich die harte Tour. Nur wer seine sportliche Aktivität auf Dauer steigert hält sich wirklich fit und gesund.

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