Irgendwie sagt mir mein Bauchgefühl, dass unsere in Überfluss lebende Gesellschaft die primär für die Verdauung und Energiegewinnung zuständige Körperregion rund um Magen und Darm immer häufiger für oft sinnlose Entscheidungen missbraucht. Sagen wir es anders: Unser Verdauungstrakt ist eng mit der Psyche verknüpft. Je häufiger wir uns mit der Qual der Wahl im Bezug auf ein bestimmtes Produkt, eine Versicherung oder einen neuen Lebensabschnitt auseinandersetzen müssen, desto häufiger funkt unser Gehirn intensiv mit Magen und Darm, um die Gefühlslage zu recherchieren. Geben wir noch eine fiese Portion Stress im Beruf mit hinzu und schon kann es sein, dass unser Magen-Darm-Trakt nicht nur ab und zu rebelliert sondern auch chronisch Schaden nimmt. So wirklich gesund ist das nicht…
Wer soll bloß die ganze Marmelade essen?
„Soziologen und Psychologen frischen derzeit die These auf, wonach die ständige Ausweitung der Wahlmöglichkeiten zur Stagnation oder sogar zum Rückgang des durchschnittlichen Wohlergehens der Bürger in den kapitalistischen Demokratien beitrage“, schreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 20. April 2013. Reduzieren wir diese allgemeine These auf eine wissenschaftliche Studie, vom sogenannten Marmeladen-Paradox. Kurz erklärt: Kunden, denen man eine Auswahl von 24 Marmeladen-Sorten offerierte wurden zwar von der Fülle angezogen, kamen allerdings nur in geringem Maße zu einer Kaufentscheidung. Reduzierte man die Auswahl auf ein Minimum von beispielsweise sechs Sorten hatte man zwar weniger Ansturm jedoch gingen mehr Marmeladengläser über den Scanner. Warum ist das so? Bei so viel Auswahl wird selbst das Bauchgefühl überfordert. Je größer die Auswahl desto schwieriger, die richtige Wahl zu treffen, desto intensiver die Interaktion zwischen Psyche und Bauch, desto größer der Stress und desto größer auch die Angst davor, sich falsch zu entscheiden.
Die „Tyrannei der Wahl“ macht uns unglücklich
Mal ehrlich: Das Internet, die Flut an Prospekten und anderweitig zu beinflussen versuchende Werbebotschaften machen es uns doch nicht gerade leicht, adäquate Entscheidungen zu treffen. Ist dieses Produkt vielleicht ein bißchen besser, kann jenes doch noch ein wenig mehr als das andere? Im Grunde überfordern wir unsere Psyche mit dem Wahn, immer die beste Entscheidung treffen zu müssen.
Wie war das früher? Da ging man zum Fachhändler, ließ sich beraten und kaufte sodann meist das Richtige. Und heutzutage macht uns die Vielfalt das Leben schwer. Psychologen sprechen gar von der „Tyrannei der Wahl“. (Die „Zeit“ vom 5. Dezember 2011) Was sagt ihr Bauchgefühl im Moment? Der beste Rat ist, die Psyche nicht mit dauerhaftem Überlegen zu überfordern. Legen Sie einfach los und tun Sie das, was Ihnen das spontane Gefühl sagt. Wir wissen doch aus Erfahrung, dass Spontaneität meist die bessere Wahl ist. „Wir überschätzen ohnehin die Konsequenzen unserer Entscheidungen“, sagte der Psychologe Daniel Kahnemann gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
„Da man es besser verkraftet, etwas Falsches zu machen als nichts zu tun, empfiehlt sich mehr Mut, wenn (große) Entscheidungen anstehen“, denken die Psychologen Thomas Gilovich und Victoria Medvec. Ihrer Ansicht nach bereuen Menschen fehlgeschlagene aktive Handlungen nur kurze Zeit. Viel mehr auf dem Magen schlagen Dinge, die man nicht getan hat. Und wenn eine Entscheidung wirklich schwer fallen sollte, dann schlafen Sie darüber – aber bitte nur eine Nacht.
Wieviel Entscheidungen verkraftet die Psyche?
Jeder weiß wie das ist, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Und jeder weiß, wie sehr die Reue schmerzt. Doch Reue kostet auch Lebenszeit und Lebensenergie. Je mehr negative Gefühle man in sich trägt, desto mehr schwächt man damit sein Immunsystem und damit seinen ganzen Körper.
Fehlentscheidungen gibt es. Wenn etwas nicht so läuft, wie man es sich ausgemalt hat, darf man nicht die Entscheidung verfluchen, sondern muss nach den äusseren Umständen suchen, die zu der Entscheidung beigtragen haben. Verfügen wir über ein nicht chronisch belastetes Bauchgefühl, können wir gute Entscheidungen treffen und bereuen im Fehlfall weniger stark als Dinge, die wir rational entschieden haben.
Weihnachts-Stress muss nicht sein
Die einen geraten in Stress, weil sie sich mit der Geschenksuche schwertun, die anderen setzen sich unter Druck, weil sie alles so planen und organisieren wollen, dass es ein harmonisches Weihnachtsfest wird. Und irgendwie ist für eben diese Harmonie überhaupt keine Zeit – wie immer eben.
Wetten: Es geht den meisten in Ihrem Umkreis genau so. Tun Sie sich und allen anderen etwas Gutes, setzen Sie den Wunsch nach Veränderung in die Tat um. Reduzieren Sie auf allen Seiten den Erwartungsdrang, machen Sie aus dem „Fest der Liebe“ tatsächlich eines und genießen Sie in aller Stille die letzten Tage des Jahres – ohne Erwartungsdrang, ohne gegenseitige Verpflichtungen, ohne nachhaltigem Drang, alles perfekt machen zu müssen.